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Lachende und ein weinendes Auge/n - Trainer-C Ausbildung

Die C-Trainerausbildung ist in der heutigen Zeit nicht mehr nur ein Erwerb von Wissen und Judofertigkeiten, es geht vielmehr darum, dieses in den Trainingsalltag umsetzen zu können. Ganz nach dem Motto: Was nutzen mir 500PS, wenn ich sie nicht auf die Straße bekomme!

Die neuen C-Trainer haben gelernt, ihr Wissen anzuwenden, die Ergebnisse zu reflektieren und in neue Handlungsziele umzuwandeln und diese dann umzusetzen. Sie verstehen Judo nicht nur als eine Sammlung von Techniken und Übungen, sondern als ein Puzzle, welches es zu lösen gilt, vielleicht sogar als Lebenspuzzle.

Hier ein Artikel von Dr. Marc Braun im Rahmen seiner Trainer-C Judo Ausbildung:

Wie behält man seine Trainingsgruppe eng bei sich? 

"Es ist mal wieder Freitagabend. Vor mir stehen in Reih und Glied aufgestellt die Jugendlichen für das wettkampfnahe Judo-Training. Ich lese Erleichterung in den Gesichtern der 15-17-Jähringen, die ihre Schulwoche geschafft haben. Noch nicht ganz! Denn vor ihnen stehen noch 90 Minuten konzentriertes Training, das nochmal alle Aufmerksamkeit fordert. Sie sind bereit, diese dem Trainer entgegenzubringen. Sie folgen dem Trainer und knien sich nieder.

Woher kommt die Freude, aber auch die Disziplin, gerade in einem Alter, das viele Verlockungen bietet: digital auf der Couch abhängen, anarchischen Sportarten wie Fußball nachgehen, in die Stadt Shoppen gehen?

1) Das Trainerbild von heute

Fangen wir mit der Trainerrolle an. Als Judoka, der Anfang der 80er Jahre den Fuß auf die Tatami setzte, erlebte ich verschiedene Trainergenerationen. Vom autoritären Patriarchen (ja, Judotrainer waren fast immer männlich), der uns sehr streng erzog, „exerzieren“ ließ, über doch zu gut gemeinte „Laissez-Faire Attitüde“, die eher zufällige Ergebnisse erzeugte, bis hin zur heute gefragten „sozial integrativen FührerIn“, der bzw. die Jugendlichen ermöglicht, „sich selbst zu trainieren“.

In der heutigen „Sozialen Welt“ – und auch in der Berufswelt – wird Führerschaft nicht mehr top down organisiert. Die „Schwarmintelligenz“ der Community, der Sporttreibenden bestimmt durch Followership, wer zum Leader wird. Das heißt für den Judolehrer bzw. die Judolehrerin: bringe relevante Inhalte! Sei authentisch! Sei Dir klar, dass Du ein mögliches Vorbild bist – habe nicht den Anspruch, es unbedingt zu sein. Sei im Führungsstil sozial integrativ. Das heißt nicht, dass Du keine direkten, frontalen Ansagen machen kannst. Ganz im Gegenteil. Gute Erfahrungen machte ich, Punkte, die mich in der Trainingsgruppe stören (Ablenkung, Seitengespräche usw.) direkt anzusprechen und sofort zu beheben. Fehler, die gemacht werden, sofort herausarbeiten und korrigieren. Gerade die unmittelbaren Reaktionen am Anfang des Trainings – mit dem Hinweis, dass bei guter Mitarbeit und Konzentration der Trainingsfluss besser ist, die Unterbrechungen weniger werden, wird schnell begriffen und verinnerlicht. Schnell stellt sich ein „Flow“ ein, der den TeilnehmerInnen gefällt.

2) Die Trainingsmethodik im Wandel der Jahre

Die Zeit, in der Techniken in der „eins-zwei-drei-Wumms“ Schrittfolge – Wurf für Wurf vermittelt wurde, ist glücklicher Weise vorbei. Denn auch die Methodik hat sich über die letzten Jahre verändert – vielleicht zuletzt sogar revolutioniert. Mit dem neuen „situationsbestimmten Judo“ konnte ich die Lücke zwischen Technikvermittlung und der konkreten Anwendung z. B. im Randori oder im Shiai schließen. Die Grundkampfkonzeption und die Individuelle Kampfkonzeption sind fest in meinem Training verankert. Die geübten Situationen wie „Uke hat einen Griff in der Gegenauslage, Kenka Yotsu, erobert und trachtet nach einem Nackengriff – Erarbeitung von Gegentechniken für Tori“ stellen einen hohen Realitätsbezug dar. Auch Bodentechnik wird als Verkettung von Ereignissen realitätsnah geübt. Judo muss also nicht nochmal von vorne gelernt werden, wenn man es im Wettkampf (Shiai) anwenden will. Ernüchterung und Frust der Jugendlichen bleiben aus. Sie können mit dem Judo in ihrem Tornister direkt loslegen.

3) Judo ist groß – auch außerhalb der Tatami

Jigoro Kano war einer der größten Pädagogen seiner Zeit. Er reformierte das Lehrwesen in Japan, trug zur Verbesserung der Volkshygiene und der Volksgesundheit im frühen 20. Jahrhundert bei. Man mag heute sagen, er war seiner Zeit voraus. Ihm würde es wohl gefallen, wenn er sähe, dass Judo mit der Zeit gegangen ist. So sind z.B. sozialen Medien eine wichtige Stütze in der Organisation des Trainingsverlaufs geworden. Als Trainer benutze ich diese sinnhaft für unser Judo. Der Austausch in der Gruppe hilft, Training besser vorzubereiten, Wettkampf- oder Sozialfahrten zu organisieren. Mit den Judo-Werten sind wir auch gut für den Umgang miteinander gerüstet. Hass und Hetze im Netz oder in der Chatgruppe haben bei uns keinen Platz. Die Vereins-Veranstaltungen nutze ich, um meinen Schülern zu vermitteln, was man auch sonst noch mit Judo – vor allem mit „Life time learning and practicing“ - anfangen kann. Als Wirtschaftsinformatiker und „Cloud Architect“ werde ich jeden Tag angegriffen. Meine „Defence Posture“ muss ich jeden Tag überdenken. Der Angreifer im Internet hält ständig neue Situationen für mich bereit.

4) Trainings- und Ernährungstipps für außerhalb der Tatami

Die SchülerInnen fragen mich, wie ich mich fit halte. Nun ja, trainieren kann man auch allein und außerhalb der Tatami. Auch mit 50. Das habe ich vor drei Jahren im Grand Dojo des Kodokan unter der Leitung von Toshiro Daigo, 93 Jahre alt, 10. Dan gelernt, kurz bevor er starb. Tipps für altersgerechtes Kraft- und Fitness-Training, Ernährungshinweise gebe ich gerne nebenbei. Praktizieren kann man gemeinsam im Kraftraum einmal die Woche oder in den „Bodyweight Stations“. Cool – da sind weitere Jugendliche; ja, das spiegelt auch so manchen Trend in den sozialen Medien wider. Man fühlt sich mit Judo nicht aus der Zeit – sondern mittendrin, im Trend. Den Eltern gefällts‘. Mal nicht zocken.

Los geht‘s

Es ist wieder Freitagabend, die JudoschülerInnen blicken in das Gesicht eines vom Leben geprägten Trainers, der in seinen frühen 50ern steht. Die Judowerte sind für ihn nicht nur bloße Floskeln – er lebt sie auch außerhalb der Tatami vor. Im Gesicht zeichnen sich Siege und Niederlagen der letzten 40 Jahre ab. Die Gruppe sieht, dass ihm Judo noch immer Freude bereitet, bevor alle die Augen schließen und mit dem Wort „Mokuso“ Ruhe einkehrt. Augen wieder auf: „Mokuso Yame“. „Sensei ni rei“ und los geht’s!"

"Das war die vielleicht beste Trainer-C Ausbildung, die ich begleiten durfte!" - Mit diesen Gedanken endet für Jens Keidel die letzte Trainer-C Ausbildunge in Bayern unter seine Obhut. "Ich verlasse den BJV in Richtung des DJB, um dort neue Aufgaben anzugehen. Ich bedanke mich bei den vielen hundert Judoka, die ich über Jahrzehnte in Bayern begleiten durfte und die mein Wissen und mein Können immens erweitert haben!" fasst Jens Keidel seine Dienste im BJV in der Lehre zusammen. 

Text/Bild: Jens Keidel

 

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